Nachbarrecht: Solaranlage des Nachbarn darf nicht blenden

Streitigkeiten zwischen Nachbarn nehmen laufend zu. Immer wieder stellt sich die Frage, was geduldet werden muss und ab wann die Möglichkeit besteht, sich gegen Beeinträchtigungen zu wehren.

Der OGH hat sich am 29.05.2018 in seinem Erkenntnis 1 Ob 1/18f, veröffentlicht in einer Fachzeitschrift im Dezember 2018, mit einer neuen Thematik auseinandergesetzt.

Im behandelten Sachverhalt hat ein Nachbar auf einem Garagendach eine Solaranlage errichtet. Die Solarpaneele wurden in das Satteldach, welches eine Dachneigung von 21 Grad hat, integriert. Die Anordnung der Paneele führt dazu, dass Sonnenlicht reflektiert wird und so unter anderem den Balkon und eine Terrasse des Nachbarhauses erreicht und zwar von Mitte April bis Ende September für einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Stunden täglich. Da die Paneele niedrig angebracht sind, kommt das blendende Licht aus waagrechter Richtung oder teils sogar von unten und entspricht von der Intensität her dem direkten Blick in die Sonne. Die Nachbarn sind deshalb gezwungen, laufend eine Sonnenbrille zu tragen oder einen anderen Sonnenschutz zu verwenden, weil auch ein kurzer (unwillkürlicher) Blick in das reflektierte Sonnenlicht zu einer Augenschädigung führen könnte, wie von den Gerichten festgestellt wird.

Der beeinträchtige Nachbar hat verlangt, dass sein Nachbar es unterlassen muss, weiterhin Sonnenlicht auf sein Grundstück zuzuleiten, soweit dies das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet und die ortsübliche Benützung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt.

Der Gegner und Sonnenfreund wehrte sich dagegen und erklärt, sein Nachbar könne ja einen Sonnenschutz (Beispiel: Sonnenschirm) aufstellen. Ein Umbau der Solaranlage wäre mit Kosten in Höhe von € 12.000,00 bis € 15.000,00 verbunden, was ihm nicht zumutbar sei.

Im Nachbarrecht, ja überhaupt im Eigentumsrecht gilt, dass die eigenen Rechte nur insofern ausgeübt werden dürfen, als dadurch nicht in die Rechte eines Dritten eingegriffen wird. Das Gesetz, konkret § 364 ABGB, besagt ausdrücklich, dass Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen haben.

Die Abwehrmöglichkeiten sind in § 364 Abs. 2 ABGB wie folgt geregelt:

Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die, von dessen Grund ausgehenden, Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

Ein Thema ist in solchen Fällen stets die Ortsüblichkeit. Es ist zu prüfen, ob andere Liegenschaftseigentümer in der Umgebung von vergleichbar gravierenden und aus ungewöhnlicher Richtung kommenden Blendwirkungen betroffen wären. Die Gerichte kamen zum Ergebnis, dass die Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers im vorliegenden Fall nicht als ortsüblich qualifiziert werden können.

Als zweitens stellt sich sodann die Frage der Wesentlichkeit. Nach Ansicht der Gerichte wäre es denkbar, die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung deshalb zu verneinen, weil der Kläger diese durch einfache – und ihm daher zumutbare – Abwehrmaßnahmen hintanhalten könnte. Eine Interessenabwägung ist geboten, wobei unter anderem auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Störer den beeinträchtigenden Zustand durch „unsachgemäßes Vorgehen“ geschaffen hat.

Nach Ansicht des OGH hat das Berufungsgericht speziell dem letzten Aspekt keine ausreichende Beachtung geschenkt. Ebenso wenig hat es sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit den Beklagten Mittel zur Verfügung stehen, die nachteiligen Auswirkungen ihrer Anlage selbst zu beseitigen oder zumindest erheblich zu verringern.

Der OGH erkennt einen objektiven Fehler in der Sphäre des Betreibers der Solaranlage darin, dass die Solarpaneele in ungewöhnlich niedriger Höhe angebracht worden sind. Auch wenn dies günstiger sei, dürfe es laut OGH nicht dazu führen, dass Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt werden. Es komme deshalb auch nicht darauf an, ob diese die Möglichkeit haben, die Störung abzuwehren.

Je mehr die schädlichen Emissionen auf ein Manko in der Sphäre des Störers zurückzuführen sind, umso weniger kann man Abhilfemaßnahmen durch den Gestörten im Rahmen der Prüfung der Beeinträchtigung auf ihre Wesentlichkeit als zumutbar ansehen.

Laut OGH ist es dem Kläger nicht zumutbar, laufend eine Sonnenbrille zu verwenden und auch andere Abwehrmaßnahmen (Sonnenschirme, etc.) anzudenken. Laut dem OGH ist es Sache des Betreibers der Solaranlage selbst dafür zu sorgen, dass sein Nachbar geschützt wird. Ein Anstrich könnte auf die Solaranlage aufgebracht werden, ebenso wäre es möglich, ein Sonnensegel an der Kante des Daches zu montieren, welches an Sonnentagen im Sommer jeweils aufgespannt wird.

Insgesamt ist die Nachbarrechtliche Interessenabwägung deshalb zu Gunsten des Klägers ausgefallen, sodass der OGH dem Nachbarn aufgetragen hat, derartige Beeinträchtigungen des Nachbarn künftig zu unterlassen.

Zusammenfassung: Weder entspricht die, durch die Solaranlage des Beklagten ausgelöste, Blendung des Nachbarn den örtlichen Verhältnissen, noch ist davon auszugehen, dass die wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn und Klägers dadurch ausgeschlossen werden kann, dass dieser selbst Abwehrmaßnahmen trifft. Der Solaranlagenbetreiber ist es, der dazu verpflichtet ist, will er die Anlage weiterhin auf dem Dach belassen und betreiben.

Ähnliche Probleme, jedoch im umgekehrten Sinn, ergeben sich oft auch durch Bäume oder andere Pflanzen, die dazu führen, dass dem Nachbarn Licht und Luft entzogen werden. Auch hier gilt allerdings, dass eine wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn vorliegen muss. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich bislang äußerst zurückhaltend. Jeder einzelne Sachverhalt muss deshalb genau geprüft werden.