Hotels - Anspruch auf Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz?

Viele Betriebe leiden derzeit unter SARS-CoV-2, dem Coronavirus; sei es durch Betriebsschließungen, Sperren ganzer Ortschaften oder auch durch ausbleibende Kunden. Besonders hart trifft es Saisonsbetriebe, nachdem die Wintersaison abrupt abgebrochen werden musste.

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, ob Hotels, die von einer Zwangsschließung oder einer Sperre der Ortschaft betroffen waren, Ansprüche nach dem Epidemiegesetz geltend machen können. Die Vorarlberger Rechtslage wird im Detail betrachtet, auch in anderen Bundesländern gilt das Folgende jedoch mit gewissen Abweichungen.

Vorab eine wesentliche Unterscheidung:

Das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 enthält Regelungen für verschiedenste Epidemien: Scharlach, Diphterie, Asiatische Choleria und einiges mehr. Es sieht u.a. in § 20 Betriebsbeschränkungen oder die Schließung gewerblicher Unternehmungen vor, in § 24 Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften. Mit Verordnung vom 28.02.2020, BGBl II, Nr 74/2020 wurde verordnet, dass die Regeln des Epidemiegesetzes auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 gelten. Unter anderem bei Betriebsschließungen oder bei Verkehrsbeschränkungen bezüglich von Ortschaften sieht § 32 Epidemiegesetz vor, dass "natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile eine Vergütung zu leisten ist, wenn und soweit dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist."

Parallel dazu wurden neue Bundesgesetze erlassen. Diese sehen u.a. Wirtschaftsförderungen vor, jedoch keinen Verdienstentgang, wie dies noch nach dem Epidemiegesetz der Fall war.

Aktuell ist es noch nicht absehbar, welche Förderungen und Unterstützungen der Bevölkerung und den Betrieben zukommen werden. Laufend werden neue Fördertöpfe geschaffen oder werden diese höher dotiert. Dessen ungeachtet kann es wirtschaftlich vorteilhaft sein, einen Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz geltend machen zu können. Es gilt deshalb, auch diese Möglichkeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Gretchenfrage ist nun, welche Bestimmungen tatsächlich zur Anwendung kommen. Um diese auch unter Juristen umstrittene Frage beantworten zu können, vorab ein Überblick über die Entwicklung der Rechtslage in diesem Bereich:

14.03.2020: inhaltlich idente Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz Amtsblatt 2020 - Nr. 13.pdf Gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz werden Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs. 1 Z. 1 GewO) geschlossen. Die Regelung tritt am 16.03.2020 um 12:00 h in Kraft und soll am 13.04.2020 wieder außer Kraft treten.

15.03.2020: Der Nationalrat beschließt das COVID-19 Maßnahmengesetz, BGBl I Nr. 12/2020. Es sieht unter anderem vor, dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistunen untersagen kann. Das Betreten von bestimmten Orten kann untersagt werden a) vom Bundesminister, wenn das gesamte Bundesgebiet umfasst sein soll, b) vom Landeshauptmann, wenn das gesamte Landesgebiet gemeint ist, oder c) von der Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft), wenn es um den politischen Bezirk pder Teile desselben geht. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2020 wiederum außer Kraft.

15.03.2020: Auf Basis des zuvor erwähnten Maßnahmengesetzes ergehen zwei Verordnungen: a) in der Verordnung BGBl II Nr. 97/2020 wird geregelt, dass Gastgewerbebetriebe am 16.03.2020 frühestens um 05:00 h aufsperren dürfen und um 15;00 h wieder zu schließen haben. Diese Verordnung gilt nur an diesem einen Tag. b) in der Verordnung BGBl II Nr. 98/2020 heißt es in § 1: "Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistunggsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt." Einige Betriebe, die zur wichtigen Daseinsvorsorge gezählt werden, sind von dieser Schließung ausgenommen. Weiters heißt es in § 3 Abs. 3 der Verordnung, dass diese Schließung nicht für Beherbergungsbetriebe gilt, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden. Die Verordnung tritt am 17.03.2020 in Kraft und soll am 22.03.2020 wiederum außer Kraft treten.

Aktuelle Rechtslage ist zwischenzeitlich nun die, dass aufgrund der Verordnungen der Vorarlberger Bezirkshauptmannschaften die Hotels geschlossen sind. Gemäß der Verordnung des Bundesministers, welche nicht nach dem Epidemiegesetz sondern nach dem COVID-19 Maßnahmengesetz ergeht, wäre eine eingeschränkte Fortführung noch möglich gewesen. Zwischenzeitig haben alle Liftbetriebe die Saison beendet. Unklar ist, wie die Hotelgäste darauf reagiert hätten. In Hotels mit Wellnessbereich wäre es wohl durchaus denkbar gewesen, dass Gäste den gebuchten Urlaub fortsetzen.

17.03.2020: es kommt zu Sperren mehrerer Orte, nämlich von Lech, Klösterle (Ortsteil Stuben), Warth und Schröcken. Die Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Bludenz erlassen wiederum auf Basis des Epidemiegesetzes (§ 24 dieser Norm) die entsprechenden Verordnungen: Amtsblatt 2020 - Nr. 14.pdf Die Verordnungen treten am 17.03.2020 um 12:00 h in Kraft und sollen bis zum 03.04.2020 aufrecht bleiben.

17.03.2020: noch am selben Tag ergehen neue Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Bludenz: Amtsblatt 2020 - Nr. 15.pdf Die zuvor erwähnten Verordnungen (Amtsblatt Nr. 14/2020) treten demnach zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung außer Kraft. Die Sperre der Ortschaften Lech, Klösterle (Ortsteil Stuben), Warth und Schröcken wird nun auf das COVID-19 Maßnahmengesetz gestützt.

21.03.2020: Der Nationalrat beschließt im Eiltempo das 2. COVID-19 Gesetz. Darin wird unter anderem das COVID-19 Maßnahmengesetz abgeändert. Artikel 26 Z. 3 ändert § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes wie folgt ab: "Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.". Diese Bestimmung tritt rückwirkend mit 16.03.2020 in Kraft.

27.03.2020: die Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Bludenz heben ihre Verordnungen betreffend die Schließung von Beherbergungsbetrieben mit Ablauf des Tages der Kundmachung auf. Amtsblatt 2020 - Nr. 19.pdf

27.03.2020: am selben Tag ergeht eine Verordnung des Landeshauptmanns für Vorarlberg nach § 2 Z. 2 des COVID-19 Maßnahmengesetzes: LGBLA_VO_20200327_16.pdf Das Betreten von Beherbergungsbetrieben (§ 111 Abs. 1 Z. 1 GewO) als Tourist oder Touristin ist im gesamten Landesgebiet verboten. Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 13.04.2020 außer Kraft.

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels ist eine Bundesverordnung angekündigt. Über Ostern droht die bundesweite Schließung von Hotels, Ferienhäusern und sonstigen Beherbergungsbetrieben einschließlich der Privatzimmervermietung zu touristischen Zwecken, sodass nun auch keine eigenen Gäste mehr verköstigt werden dürften. Was aufgrund der Verordnung des Landeshauptmanns vom 27.03.2020 in Vorarlberg aber ohnedies schon nicht mehr zulässig ist.

Rechtliche Einschätzung:

Die Schließung der Hotels erfolgte vorerst nach dem Epidemiegesetz. Damit ist grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges entstanden. Die Höhe des Anspruchs bemisst sich gemäß § 32 Abs. 4 Epidemiegesetz "nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen". Beträge, die wegen der Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeiten zukommen, sind auf den gebührenden Vergütungsbetrag anzurechnen, kürzen also den Verdienstentgangsanspruch.

Die Verordnungen des Bundesministers für Soziales (und anderes) vom 15.03.2020 tangiert die Betriebe zumindest am Rande: trotz dieser Verordnungen wäre es noch zulässig gewesen, das Hotel offen zu halten, wobei nur noch die Hotelgäste, nicht aber auswärtige Gäste verköstigt hätten werden dürfen. Immerhin noch eine Einnahmequelle.

Rechtlich spannend sind die Schließungen der Orte Lech, Stuben, Warth und Schröcken: diese erfolgten vorerst auf Basis des Epidemiegesetzes. Noch am selben Tag erfolgte jedoch eine Korrektur, sodass die Maßnahme auf das COVID-19 Maßnahmengesetz gestützt wurde. Hätte die Schließung nach dem Epidemiegesetz Ansprüche auf Verdienstentgang für verschiedene Betriebe geschaffen, ist dies nun auf Basis des COVID-19 Maßnahmengesetzes nicht mehr der Fall. Spannend ist dieser Schritt deshalb, weil noch immer die Hotelbetriebe fortgeführt hätten werden können - bei Verköstigung nur der Hotelgäste, die nun aber nicht einmal mehr den Ort hätten verlassen dürfen. Die Verordnungen vom 14.03.2020 (Schließung der Betriebe nach dem Epidemiegesetz) ist also noch immer von Bedeutung. Zudem gilt die Rechtslage natürlich auch für alle anderen Vorarlberger Hotelbetriebe, die sich nicht in diesen Ortschaften befinden.

Hat nun das "2. COVID-19-Gesetz" zu einer relevanten Änderung für Hotelbetriebe geführt? Ich meine: Nein. Zwar wird das Epidemiegesetz ausgehebelt, und zwar rückwirkend mit dem 16.03.2020, sofern der Bundesminister für Soziales eine Verordnung erlässt. Gerade für Hotelbetriebe gibt es aber eine Ausnahme: solange nur eigene Hotelgäste verköstigt werden, ist ein Fortbetrieb zulässig. Weiterhin wirken sich also die Verordnungen nach dem Epidemiegesetz vom 14.03.2020 aus.

Erst der 27.03.2020 steht für eine relevante Änderung: die erwähnten Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften werden aufgehoben, mit Verordnung des Landeshauptmanns wird nun Klarheit geschaffen, indem das Betreten von Hotels durch Touristen untersagt wird - auf Basis des COVID-19 Maßnahmengesetzes. Ab nun gibt es also keinesfalls mehr eine Anspruchsgrundlage für Verdienstentgangsansprüche nach dem Epidemiegesetz.

Was ist nun den Betreibern der Hotels zu empfehlen?

§ 33 Epidemiegesetz sieht eine Frist vor zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentgangs: binnen 6 Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen sind die Ansprüche bei der Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft), in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

Sofern ein Anspruch besteht, was aufgrund der doch komplexen Rechtslage unter Juristen umstritten ist, stellt sich natürlich die Frage, in welcher Höhe ein Verdienstentgang geltend gemacht werden könnte. Es empfiehlt sich, vorerst einmal grundsätzlich einen solchen Anspruch gemäß § 32 Epidemiegesetz geltend zu machen. Es ist damit zu rechnen, dass es einen bundesweiten Erlass geben wird, der hier hoffentlich Klarheit schafft. Die Bezifferung der genauen Ansprüche kann also wohl zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, wobei vorerst - solange es keine Erleichterung durch Maßnahmen des Bundesgesetzgebers gibt - die 6-Wochen-Frist auch für die Bezifferung der Ansprüche beachtet werden sollte. Womöglich schafft hier der Bund noch Klarheit, zumal die Zahlungen durch den sogenannten Bundesschatz zu leisten sein werden.

Wir beobachten die Entwicklung weiter und stehen gerne für weitere Fragen zur Verfügung. Unsere Rechtsanwaltskanzlei ist von den Betriebsschließungen nicht betroffen, sodass wir mit Rat und Tat bereit stehen können.

Autor: RA Dr. Clemens Ender