Fremdes Fahrzeug auf dem eigenen Parkplatz?

Ein Fall, der immer wieder vorkommt: Man stellt fest, dass ein Fremder sein Fahrzeug auf dem eigenen Parkplatz abgestellt hat. Darf man das Fahrzeug abschleppen lassen?

Mit dieser Frage hat sich der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 20.12.2017 befasst.

Der Sachverhalt:

Am 24. oder 25.11.2015 wurde ein Fahrzeug auf einem Privatparkplatz abgestellt. Ein Bekannter des Mieters dieses Parkplatzes, der sein Fahrzeug mit Zustimmung des Mieters abstellen wollte, musste sein Fahrzeug in der Kurzparkzone abstellen und dafür Gebühren zahlen.

Auf dem Fahrzeug des Fremden wurde ein Zettel angebracht mit dem Hinweis, dass ein Parkverbot bestehe. Der Lenker solle sich beim Mieter melden. Zwei Tage geschah nichts. Die kontaktierte Polizei erklärte sich (zu Recht) unzuständig.

Am 26.11.2015 erkundigte sich die Mieterin bei einem Abschleppunternehmen, was man tun könne. Der Geschäftsführer des Abschleppunternehmens empfahl, sich zunächst umzuhören. Erkundigungen beim Hausmeister und auch bei anderen Personen, ob ihnen Lenker oder Halter des Fahrzeugs bekannt seien, verliefen erfolglos. Die Mieterin beauftragte sodann das Unternehmen, das Fahrzeug abzuschleppen. Dies erfolgte am 28.11.2015. Das Fahrzeug wurde auf einem Firmengelände des Abschleppunternehmens abgestellt.

Die Mieterin und das Abschleppunternehmen gingen davon aus, dass grundsätzlich die Mieterin die Kosten zahlen müsste, sodann jedoch einen Anspruch gegenüber dem Fahrzeughalter und/oder Lenker hätte. Man vereinbarte, dass diese Ansprüche gegen den Dritten dem Abschleppunternehmen abgetreten werden und dass sich das Abschleppunternehmen um das Inkasso kümmert.

Im Jänner 2016 wurde über die Zulassungsevidenz herausgefunden, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist. Ein Schreiben wurde versandt, mit der Aufforderung, die Standgebühren zu ersetzen und das Fahrzeug zu entfernen.

Dieses Schreiben kam mit dem Vermerk „verzogen“ zurück. Ein aktueller Wohnsitz des Halters konnte nicht erhoben werden. Auch weitere Schreiben vom Juni und August 2016 verliefen erfolglos, man ging davon aus, dass die Halterin untergetaucht ist.

Gerichtsverfahren:

Die Klägerin, das Abschleppunternehmen, hat sodann eine Schadenersatzklage gegen die Halterin des Fahrzeugs eingebracht. Die Abschleppkosten und die Standgebühren wurden begehrt.

Für die Fahrzeughalterin wurde ein Zustellkurator bestellt. Ein Rechtsanwalt musste deshalb die Interessen der Beklagten vertreten. Die Klage wurde in drei Instanzen abgewiesen. Das Abschleppunternehmen und die Mieterin werden also unter sich zu klären haben, wer die Kosten übernimmt.

Zum Inhalt der Gerichtsentscheidungen:

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob eine sogenannte Selbsthilfe zulässig ist. Es stellt sich also die Frage, ob man ein Fahrzeug abschleppen lassen darf oder gezwungen ist, vorab andere Schritte zu setzen.

Alle drei Instanzen halten übereinstimmend fest, dass eine Selbsthilfe nur im Ausnahmefall zulässig ist. Die Tatsache, dass ein Besitzstörungsverfahren zu lange dauern würde, ist nicht ausreichend. Ein Abschleppen wäre also nur dann möglich, wenn es sich dabei um eine angemessene Maßnahme handelt und auch eine Interessensabwägung ergibt, dass dies ausnahmsweise zulässig ist. Dies wäre etwa dann vorstellbar, wenn es zu einer Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder anderen Fahrzeugen kommt.

Auch der OGH bestätigt, dass zum Schutz und zur Durchsetzung eigener Rechte grundsätzlich behördliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss und dass Selbsthilfe in der Regel unzulässig ist.

Lehre und Rechtsprechung vertreten die Meinung, dass das eigenmächtige Abschleppen nur in gleicher Abwägung wie nach § 3 Strafgesetzbuch zulässig sein soll, also nur dann, wenn eine Art Notwehr vorliegt. Gemäß § 3 Strafgesetzbuch gilt: „Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.“

Der OGH ging aus mehreren Gründen davon aus, dass die Vorgangsweise nicht rechtmäßig war:

 Demjenigen, der rechtswidrig ein Fahrzeug abstellt, muss laut OGH die Möglichkeit geboten werden, sein Fahrzeug selbst zu entfernen. Der in seinem Besitz Gestörte ist gezwungen, zumutbare Erhebungen durchzuführen. Dazu gehört beispielsweise die Abfrage der Halterevidenz über die zuständige Bezirkshauptmannschaft. Der Halter kann dann angeschrieben und aufgefordert werden, das Fahrzeug zu entfernen. Im vorliegenden fall ist eine solche Anfrage erfolgt, allerdings erst nach dem Abschleppen des Fahrzeugs.

 Auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall der Fahrzeughalter untergetaucht ist, ändert nichts an der Gesamtbeurteilung. Dies wurde erst nach der Abschleppung bemerkt, ändere deshalb nichts an der rechtlichen Beurteilung.

 Zwischen Abschleppung und Klagsführung ist im vorliegenden Fall zudem ein zu langer Zeitraum verstrichen. Die Klage hätte nach der Durchführung der Erhebungen unverzüglich eingereicht werden müssen, um zu verhindern, dass sich die Standgebühren weiter erhöhen.

 Bereits aufgrund dieser Überlegungen kam der OGH zum Schluss, dass die Klage unberechtigt ist. Mit der Frage, ob im vorliegenden Fall „richterliche Hilfe zu spät“ im Sinne des § 344 ABGB gekommen wäre, komme es deshalb laut dem OGH gar nicht mehr an.

Empfehlung:

Eine eigenmächtige Regelung einer solchen Situation ist mit einem Risiko verbunden. Da das private Abschleppen eines Fahrzeugs im Regelfall keine erlaubte Selbsthilfe darstellt, ist dies sogar als Besitzstörung zu qualifizieren und könnte unliebsame Konsequenzen nach sich ziehen.

Wenn es also zu Störungen kommt empfiehlt es sich, zuerst zu versuchen, den Störer ausfindig zu machen und aufzufordern, das Fahrzeug zu entfernen. Gelingt dies nicht, sollte der Halter erhoben werden. Dies kann über die zuständige Bezirkshauptmannschaft geschehen. Gerne können wir dabei behilflich sein.

Zur Verbesserung der eigenen Prozesschancen empfiehlt es sich zudem, vorbeugend Lichtbilder zu erstellen. Der Ort, an dem das Fahrzeug unberechtigt abgestellt ist, sollte ebenso gut erkennbar sein wie das Kennzeichen. Auch Tag und Uhrzeit sind zu dokumentieren. Zeugen können natürlich ebenso hilfreich sein.