Änderung des Vorarlberger Baugesetzes - zu geringe Bauabstände können künftig saniert werden

Am 04.07.2019 hat der Vorarlberger Landtag eine Änderung des Baugesetzes beschlossen. Eine Gesetzeslücke wird damit geschlossen, die Änderung tritt voraussichtlich im September 2019 in Kraft.

Worum geht es?

Das Vorarlberger Baugesetz sieht verschiedene Mindestabstände vor, die bei einer Bauführung einzuhalten sind. Ein Gebäude muss mit einem bestimmten Abstand zur Grundgrenze hin errichtet werden.

Es kommt nun vor, dass Bauvorhaben in der Vergangenheit nicht entsprechend der Baubewilligung ausgeführt worden sind und dass die entsprechenden Abstandsflächen oder Mindestabstände nicht eingehalten werden.

Konsequenz: es fehlt eine rechtsgültige Baubewilligung für das bestehende Gebäude. Um eine solche zu bekommen, war bislang eine nachträgliche Zustimmung des Nachbarn („Abstandsnachsicht“) erforderlich. Bei guter Nachbarschaft kein Problem, in anderen Fällen jedoch schon.

Kann die Abstandsnachsicht des Nachbarn nicht nachgereicht werden, muss die Baubehörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes vorschreiben – also im Extremfall den Abbruch des Gebäudes! Der Liegenschaftseigentümer ist also laut aktueller Rechtslage dem guten Willen des Nachbarn ausgeliefert – unter Umständen aber auch irgendwelchen Forderungen. Es geht um viel, als Nachbar kann man also viel verlangen, wenn man keinen Wert auf eine gute Nachbarschaft legt.

Besonders kreativ kann es werden, wenn die Liegenschaft mit dem „falsch“ errichteten Gebäude mittlerweile verkauft worden ist: die Baubehörde muss dem ursprünglichen Bauherrn die Vorlage der Abstandsnachsicht vorschreiben und für den Fall, dass das nicht geschieht, diesem(!) den Abbruch auftragen! Der aktuelle Liegenschaftseigentümer kann nur versuchen, sich gegen den immensen Eingriff in sein Eigentum zu wehren.

Selbst wenn der Abbruch nicht durchgesetzt werden könnte: es ist fortan kein Umbau mehr möglich, keine Baumaßnahme, die die Zustimmung der Baubehörde erfordert. Die fehlende Baubewilligung verhindert auch jede Änderung.

Speziell in früheren Zeiten war es noch nicht üblich, vor Baubeginn jeweils eine Vermessung vorzuschreiben oder auch während der Bauführung die Position der Bodenplatte zu kon-trollieren. Das Problem dürfte damit durchaus einige Fälle in Vorarlberg betreffen.

Die Neuregelung sieht nun eine Ausnahme vor und zwar dann, wenn das Gebäude schon zumindest zehn Jahre besteht, ohne dass der Nachbar einen zu geringen Abstand gegenüber der Behörde schriftlich beanstandet hat.

Damit liegt es nun wiederum in der Hand der Baubehörde, für einen legalen Zustand zu sorgen.

Eine nachträgliche Baubewilligung ist möglich, jedoch nur mit einem kleinen Schönheitsfehler: Aufgrund einer anderen Bestimmung im Baugesetz ist es möglich, ein abgerissenes Gebäude innerhalb einer Frist von sieben Jahren wieder an derselben Stelle und mit derselben Höhe zu errichten, also gleich nah zur Grundgrenze hin wie bisher. Diese Sonderregelung soll bei der nunmehrigen Lösung nicht gelten, was jedoch vertretbar erscheint, sollte es bei einem Neubau doch möglich sein, das Gebäude etwas weiter von der Grenze entfernt neu zu errichten.

Auch wenn es sohin künftig möglich sein wird, eine Ausnahmebewilligung seitens der Baubehörde zu erlangen, empfiehlt es sich doch weiterhin, das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen. Eine gute Nachbarschaft ist schließlich nicht nur für ein Bauverfahren wichtig, sondern erleichtert auch das tägliche Zusammenleben!

(Autor: RA Dr. Clemens Ender)